Die Linie, die sich duch mein Leben zieht



Ich bin eine Kriegsproduktion, sozusagen ein Reichskind und dazu noch ( gebürtiger ) Sachse.
Der Zufall hat es gewollt, daß ich nicht nur ein Sonntagskind bin, sondern auch am selben Tag geboren wurde, an dem meine Mutter Geburtstag hatte.

Mein Vater war zur Zeit meiner Geburt Soldat und meine Mutter lebte in Wuppertal-Elberfeld. Als sich auf Grund der Nähe zum Ruhrgebiet die Bombenangriffe häuften, hat sich meine Mutter in guter Hoffnung mit mir am 31.8.1943 zu Verwandten nach Naumburg ( damals noch Sachsen ) zurückgezogen. Dort bin ich denn auch geboren.
Nach der Rückkehr aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft meinte mein Vater, daß wir dort wieder abhauen sollten, bevor der Russe käme. So haben wir uns denn wieder nach Wuppertal aufgemacht, was die Heimat meiner Jugend wurde.

Aus den Aufzeichnungen meines Vaters:
02.07.1945
Rückkehr aus amerikanischer Kriegs­gefangen­schaft nach Naumburg.
06.07.1945
Wir verlassen Naumburg.
Naumburg-Weimar-Erfurt-Gotha-Eisenach-Wartha ( mit dem Personenzug ).
07.07.1945
Wartha-Herleshausen ( zu Fuß ).
08.07.1945
Herleshausen-Metra-Hoheneiche-Eschwege ( zu Fuß ).
09.07.1945
Eschwege-Kassel-Warburg ( mit dem Personenzug ).
10.07.1945
Warburg-Soest-Langendreer ( mit dem Kohlenzug ),
Langendreer-Hagen-Wuppertal ( mit dem Personenzug ).



Gewohnt haben wir dann bei meiner Oma in Wuppertal-Elberfeld, in der Schleswiger Starße 43. Ich erinnere mich, daß diese Wohnung eine für heutige Verhältnisse sehr hohe Decke hatte und die Schränke so hoch waren, daß man ohne Hilfe einer Leiter gar nicht an die oberen Fächer kommen konnte.
Als meine Eltern nach einigen Jahren endlich eine eigene Wohnung bekamen, sind wir 1950 umgezogen nach Wuppertal-Barmen, in die Bürgerallee 7. Dort war auf Grund der damaligen Wohnungsnot noch ein Untermieter eingewiesen, den wir dann eine Zeit lang übernehmen mussten. Als dieser irgendwann das Zimmer räumte, ist meine Oma nachgezogen und wir haben in einem 3 Generationen-Haushalt zusammengelebt.
Meine Oma war für mich eine sehr wichtige Persönlichkeit in meiner Jugendzeit. Sie war für mich quasi Muttersatz, da meine Mutter arbeiten ging und meine Oma "alles" mit mir gemacht hat. Wir sind zusammen Schlittenfahren gegangen, haben im Wald die jahreszeitlichen Früchte gesammelt: Bucheckern, Himbeeren, Brombeeren, Pilze. Wir haben zusammen ausgedehnte Spaziergänge gemacht, gelegentlich auch zur Schmeer-Emma, um eins von deren legendären "Platz-Bütterkes" zu essen.
Meine Mutter hat zu dieser Zeit für mich nur eine sekundäre Rolle gespielt, was natürlich auch zu Spannungen führte.
Als mein Bruder dann unsere Familie erweiterte und in dieses Alter kam, war meine Oma schon zu alt, um mit ihm noch weiter solche Aktivitäten durchführen zu können.

Schulisch gesehen wurden mit mir zwei Experimente durchgeführt.
In der Volksschule begannen wir das Lesen- und Schreibenlernen mit der "Spurschrift". Erfolg oder Mißerfolg kann ich nicht mehr nachvollziehen.
Im Gymnasium durfte ich dann mit Latein anfangen, weil das angeblich besser zum logischen Denken führen sollte. Da könnte etwas wahres dran sein.

Mit 17 habe ich es zu Hause nicht mehr ausgehalten, das Gymnasium mit der mittleren Reife abgeschlossen und bin mit Unterstützung meiner Eltern nach Duisburg und habe dort eine Maschinenschlosserlehre absolviert. Die Wahl fiel auf Duisburg, weil ich für die Zulassung für mein geplantes Schiffsingenieurstudium die Lehre bei einem eng begrenzten Kreis von Maschinenbaufirmen machen musste.

Zur damaligen Zeit brauchte man nicht zum Bund, wenn man Bergmann oder Seemann war. Die Vertreter des Bundes zeigten aber so ein reges Interesse an mir und ließen sich überhaupt nicht davon beeindrucken, daß ich doch zur See fahren wollte. Das könne ich auch noch nach dem Dienst beim Bund tun, war der Kommentar. Meine Abneigung war aber wesentlich größer als deren Zuneigung, so daß ich nach Abschluß meiner Gesellenprüfung, aber noch vor einem schon anberaumten Vorstellungsgespräch bei der Marine in Kiel und nur mit einer fernmündlichen Auskunftsbereitschaft über den Erfolg meiner Gesellenprüfung nach Zugfahrt, Seediensttauglichkeitsüberprüfung und Anmusterung hundemüde meinen ersten Wachdienst auf einem Handelsschiff der Hapag durchführte.

Ich fuhr 2½ Jahre als Ingenieur-Aspirant zur See! Auf Grund der Personalknappheit durfte ich im letzten Jahr vor der Ingenieurschule noch den Dienst eines 4. Ingenieurs verrichten. Das gab mehr Kohle!
Zwischenzeitlich hatte ich auch in Bremen die Prüfung zum Kleinmaschinisten ( C2 ) abgelegt. Das war aber bei der Hapag nicht gefragt.

Mein Ingenieurstudium war wegen der Praxisorientierung von Hause aus in zwei Teile aufgeteilt. Während der Semesterferien des ersten Teils bin ich mit meinem C2-Patent als Alleinmaschinist auf Küstenmotorschiffen gefahren, um mir wieder etwas Geld für mein Studium zu verdienen.
Auf Grund meines exzellenten Abschlusses konnte ich meine vorgeschriebene Zwischenfahrtzeit um ein Jahr verringern.
Nach Beendigung des zweiten Abschnitts meines Studium erhielt ich bedingt durch den Wandel im Studiensystem neben einer traditionellen Graduierungs-Urkunde [ Ingenieur ( grad. ) ] auch eine Diplom-Urkunde  [ Diplom-Ingenieur ( FH ) ]. Damit stieg ich wieder bei Hapag ein, diesmal in der Containerfahrt.

1968 habe ich geheiratet. Meine damalige Frau ist mit nach Hamburg gezogen und hat mich auch auf zwei Seefahrten nach Westindien begleitet. Als dann 1972 meine Tochter zur Welt gekommen ist, habe ich bald darauf die Seefahrt an den Nagel gehängt und einen Landjob in Frankfurt am Main angenommen.

1974 wurde ich zum zweiten Male Vater, diesmal ein Sohn.

Nach 17 Jahren ging meine Ehe in die Brüche mit der Scheidung als Folge.

1989 habe ich dann mit meiner zweiten Frau einen Ortswechsel nach Marktoberdorf durchgeführt. Zwangsläufig war das für uns beide auch mit einem Jobwechsel verbunden. Karrieremäßig hat das für uns beide keine Vorteile gebracht, die menschliche und natürliche Umgebung hat die Nachteile aber bei Weitem wieder ausgeglichen. Was mich betrifft, ich habe damals einfach die bayrisch ländliche Mentalität der damaligen Akteure des hiesigen Landratsamtes (mein damaliger Arbeitgeber) zu spät erkannt und falsch eingeschätzt.
Mit der Schließung meines Arbeitsplatzes aus politischen Gründen war der öffentliche Dienst nach 27 Jahren für mich beendet, mit der Konsequenz, daß meine Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes flöten war. Mit der Aussicht auf mögliche 92% meines letzten Nettolohnes als Ruhe­standsgehalt im Rücken hatte ich mir bis zu diesem Zeitpunkt keine Ge­danken über meine Altersversorgung gemacht. Das war plötzlich über Nacht anders.
Der Wiedereinstieg in einen öffentlichen Dienst andernorts war schier unmöglich.

Ich habe aber nach kurzer Arbeitslosigkeit bei einem Münchner Privatunternehmen einen Job in Kaiserslautern gefunden. Jedes Wochenende 440km hin und her. Nach einem Jahr habe ich intern in die Inbetriebnahme gewechselt. Mein erstes Projekt - jedes Wochenende rund 1000km hin und her. Dann durfte ich auch noch eine Insolvenz miterleben und habe nach einigen Turbulenzen bei Kraftanlagen München eine Anstellung als Bau- und Inbetriebnahmeleiter gefunden. Weil das eine große Firma war und ich einen guten Job erledigt hatte, konnte ich trotz erst 3 jähriger Betriebs­zugehörigkeit die dort praktizierte Altersteilzeit in Anspruch nehmen.

Auch mit Rückblick auf meinen Vater, der trotz seiner Krankheit meinte, bis zum Schluß arbeiten zu müssen und dann, als er endlich in den Genuß der Früchte seines langen Arbeitslebens kam, nicht mehr konnte, habe ich also mit 59 Jahren aufgehört zu arbeiten und bin mit 60 Jahren nach 513 angerechneten Beitragsmonaten, sprich 43Jahren renten­wirksamer Berufstätigkeit, mit 18% Abschlag in Rente gegangen nach dem Motto: "Scheiß auf das Geld. Diese 5 Jahre bin ich für mich da und für niemand anderen und diese Zeit kann mir später keiner mehr nehmen." Ich könnte zwar mehr Rente gut gebrauchen, aber ich kann meine Miete bezahlen und mir gelegentlich auch mal ein Bierchen leisten. Nach Neuseeland oder auf die Malediven in Urlaub fahren ist halt auf Dauer gestrichen. Ich habe diesen Entschluß bis heute nicht bereut.

Jetzt gehe ich ausschließlich meinen persönlichen Neigungen nach, ohne Stress und ohne irgendjemandem darüber Rechenschaft ablegen zu müssen, außer meiner Frau natürlich.

Die Jahreszahl meines Alters wird jetzt durch eine 7 vorneweg geprägt. Wenn ich mich so in meiner Altersklasse umschaue, muss ich sagen: "Eigentlich geht es mir doch wirklich noch sehr gut!" Ich habe zwar nicht mehr alle Haare auf dem Kopf, 4 oder 5 falsche Zähne, trage eine Brille, zwei Hörgeräte und es zwickt mal hier und auch mal da. Dafür habe ich aber noch meine eigenen Hüft- und Kniegelenke, keinen Rollator im Hauseingang stehen und erkenne immer noch die Person, die mich morgens aus dem Spiegel heraus anschaut. Was will ich denn noch mehr?

Derjenige, der den kosmischen Einfluß auf unser Schicksal ausübt, möge mir weiterhin Kraft und Mobilität geben, damit ich noch möglichst lange so weiter machen kann.





Anmerkung des Autors, also von mir:

Auf der einen Seite hört man immer wieder die Warnung, man soll im Internet nicht so viel von sich preisgeben. Auf der anderen Seite offenbaren sich immer mehr Menschen im Internet.
Ich stelle hier eine Reihe persönlicher Dinge dar, die vielleicht oder eher sogar höchstwahrscheinlich überhaupt niemanden interessieren. Aber sie schaden auch niemandem.
Und wenn Du jetzt fragst: 'Was soll das denn?', sage ich nur: 'Na und, hast Du die Startseite gelesen?'
Wenn ja, dann bräuchtest Du hier eigentlich nicht weiter zu lesen! Aber immerhin hat Dich eine gehörige Portion an Neugier bis hierher gebracht.
Mittlerweile bin ich zu der Auffassung gelangt, daß diese Seiten hier ausnahmslos der Förderung meines eigenen Egos dienen, nur bedingt durch den Umstand, daß ich diese Spielereien in meinem Alter noch hinbekommen habe.
Wen es nicht interessiert, der braucht mein ganzes Zeug, was ich hier verzapft habe, doch auch nicht zu lesen und sich demzufolge auch nicht darüber aufzuregen!
Es gibt sicherlich auch Menschen, denen ich diese ja doch recht persönlichen Informationen nicht gerade auf die Nase binden würde.
Wenn so jemand das hier aber trotzdem liest - ja mei, was soll´s?
Wen es aber interessiert, der ist herzlich eingeladen, solange rumzustöbern, bis er die Nase voll hat.

update: 07.11.2017